An dieser Stelle noch der Ausblick auf kommende Werke aus meiner Feder. Und eure Geduld soll an dieser Stelle auch belohnt werden, denn ich lüfte jetzt zumindest einen Teil eines lange gehüteten Geheimnisses.
Gwen ist schwanger.
Quatsch! Habt ihr das wirklich geglaubt? Wenn ja, dann habt ihr DIE GENERÄLE noch nicht gelesen und ich rate euch, das dringend nachzuholen.
Aktuell arbeite ich noch am bisherigen Geheimprojekt, das ich gemeinsam mit Dirk van den Boom konzipiert habe. Mein Arbeitstitel lautet ÄRA DER HELDEN und mehr sei an dieser Stelle noch nicht gesagt 🙂
Wer mag, kann gerne die Andeutungen von Dirk und mir auf Facebook verfolgen. Dazu müsst ihr uns allerdings als Buddy adden, um diese lesen zu können.
Nach ÄRA DER HELDEN werde ich den zweiten Shendria-Roman mit dem Titel DIE SÖHNE VON SHENDRIA überarbeiten. Der erste Teil DAS BUCH SHEN soll eigentlich noch diesen Monat im Atlantis Verlag als Paperback und Ebook erscheinen.
Im Anschluss geht es weiter mit WINTERSTURM, dem ersten Roman einer geplanten vierteiligen Dark Fantasy Reihe, die in Deutschland und nahem europäischem Umfeld spielt.
Je nachdem wie schnell ich damit voran komme, werde ich im Anschluss entweder an ÜBERRANNT weiterarbeiten (meinem SF-Invasionsthriller) oder direkt mit dem vierten Eileen-Hannigan-Roman HANNIGAN beginnen.
Als kleine Advents-Bonbons bekommt ihr von mir zwei Textausschnitte aus WINTERSTURM und ÜBERRANNT. Wie immer völlig unbearbeitet und unlektoriert.
Auszug aus dem Prolog von WINTERSTURM:
Sumer, etwa 4.000 vor Chr.
Der Tempel der Inanna in Uruk
Die Veränderung kam ohne Vorwarnung. Fröstelnd und mit zitternden Gliedern blickte Julina nach oben zur Öffnung in der Höhlendecke. Vor einem Lidschlag noch war der Mond vor dem Sternenfirmament dunkelrot gewesen, jetzt schien er in einem fahlen Silber. Ängstlich dachte Julina daran, dass ihre Neugier nicht unbemerkt bleiben konnte und bestraft werden würde. Sie spielte mit dem Gedanken, auf der Stelle kehrt zu machen und wieder dorthin zurückzugehen, wo der Mond blutrot war und die Sonne einen schwarzen Fleck am Himmel darstellte. Andererseits trieb sie ihre Wissbegierde an, weiterzugehen.
Julina raffte ihre Tunika hoch und schlich sich von dem Portal, das sie eben durchschritten hatte, fort. Die Höhle auf dieser Seite des Durchgangs glich der auf der anderen Seite fast bis ins Detail. Nur die Tatsache, dass die Himmelskörper hier andere Farben und offenbar auch andere Eigenschaften besaßen, konnte gegensätzlicher kaum sein. Sie fühlte sich lebendig. Erfrischt. Beinahe wie neu geboren.
Das Mondlicht prickelte auf Julinas Haut, schien sie sanft zu liebkosen und ihr etwas zu schenken, das ihr die andere Seite nicht bot. An eine Umkehr dachte sie jetzt nicht mehr. Vielmehr dankte sie den Göttern dafür, das Tor gefunden zu haben. Sie wusste, dass es verboten war, sich in den Katakomben unterhalb des Tempels aufzuhalten. Aber die Gründe für dieses Verbot waren von den Hohepriestern so vage gehalten worden, dass nicht nur Julinas Neugier darüber geweckt wurde, was sich unterhalb des Altars in den gesperrten Bezirken verbergen mochte, sondern sie zudem zu diesem Wagnis trieb.
Julina trat hinter einem Tropfstein hervor und verließ den Bereich des einfallenden Mondlichts. Dennoch ließ das Gefühl der Frische und Belebung nicht nach. Ihr Körper kribbelte und ihr Herz pochte schneller vor Aufregung. Sie fühlte sich stark, als könnte sie sprichwörtlich Bäume ausreißen. Irgendetwas ging in ihr vor, auch wenn sie noch nicht greifen konnte, was es war. Vermutlich hatte es nicht nur mit dem andersfarbigen Mond zu tun.
Sie machte einen Schritt zurück unter das Loch in der Höhlendecke und blickte erneut hoch. Fasziniert von dem für sie unnatürlichen Glanz der vollen Scheibe am Himmel vergaß Julina die Zeit und starrte so lange hinauf, bis sie erkannte, was sie an dem Leuchten befremdete. Das Licht kam nicht direkt von der Mondscheibe. Julina sah kein Flackern, kein Glimmen, wie sie es von der anderen Seite her kannte. In Arallu leuchtete der rote Mond von selbst, hier allerdings wurde er offenbar von etwas angestrahlt und reflektierte nur das Licht.
Ein eisiger Schauer lief über Julinas Rücken. Die Legenden und Mythen schienen wahr zu sein! Es gab nur eine Himmelsmacht, die dem Mond ebenbürtig war. Offensichtlich war die Sonne auf dieser Seite ein selbstleuchtendes Objekt und in der Lage ihr Licht auf dem Gestirn der Nacht widerzuspiegeln.
„Bei Anu und Apsu.“ Julinas Stimme kam einem Keuchen gleich. Sie begriff plötzlich, wo sie sich befand. Dies war nicht mehr Arallu, das Reich der Dunkelheit, sondern Ki, die Welt des Lichts. „O Götter! Was habe ich getan?“
Sie fror und schien zur Salzsäule erstarrt zu sein. Die Erkenntnis, sich viel weiter vorgewagt zu haben, als jemals ein Mensch vor ihr, verdammte sie zur Reglosigkeit. Für den Augenblick wurde das liebkosende Gefühl des Mondlichts von der Angst, etwas Verbotenes getan zu haben, verdrängt. Unentwegt sah sie zum Himmel hinauf, bis ihr Nacken zu schmerzen begann. Doch erst die Stimmen, die plötzlich durch die Höhle hallten, ließen sie aufschrecken.
Julina riss sich von dem Anblick des Mondes los und zog sich in die Schatten einer Felsnische zurück.
Die Stimmen wurden lauter. Erschrocken stellte Julina fest, dass sie näher kamen. Was, wenn sie entdeckt wurde? Sie wusste ja nicht einmal, wo genau sie sich befand. Ihr Blick suchte den Durchgang, vergewisserte sich, dass dieser noch da war, und für eine Sekunde dachte sie daran wieder zurückzulaufen.
Sie zögerte zu lange. Die Stimmen waren jetzt deutlich zu hören. Kurz darauf vernahm Julina Schritte auf dem felsigen Boden. Das Rascheln von Gewändern. Das Knarzen von Leder.
Julina versuchte, sich tiefer in die Nische zu drücken, doch ihr Rücken stieß bereits gegen die Wand. Sie presste die Lippen zusammen und hielt die Luft an. Unter den Stimmen machte sie zwei Sprecher aus. Beide männlich. Und zu ihrer Überraschung konnte sie jedes ihrer Worte verstehen!
„Weißt du, Arkan, ich begreife durchaus deine Schwester, wenn sie sich nicht gerade zu Mert hingezogen fühlt. Der Mann hat eine Haut wie Pergament. Faltig. Brüchig.“
„Was vermutlich an seinem Alter liegt.“
„Aber sie muss das auch von der guten Seite betrachten. In der Hochzeitsnacht wird Mert zerbröckeln wie getrocknete Blätter. Deine Schwester wäre dann frei und reich. Du wärst dann reich!“
„Das ist wahr.“
Plötzlich verstummten die Schritte.
Julina fluchte in Gedanken. Hatte sie sich durch irgendetwas verraten? Eine Bewegung? Geatmet? Nein, sie hielt noch immer die Luft an und merkte, dass sie das nicht mehr allzu lange durchhielt.
„Hast du das gehört?“, fragte der Mann, den der andere Arkan genannt hatte.
„Ein Steinchen, das sich irgendwo gelöst hat. Kommt hier unten öfter vor.“
„Nein, das meine ich nicht, da war etwas …“ Arkan hielt inne. Dafür hörte Julina wieder Schritte.
Lauter als vorher.
Näher.
Ihre Augen weiteten sich, als eine Gestalt am Nischenrand in ihr Gesichtsfeld trat. Erschrocken stieß sie den Atem aus. Der Mann wirbelte in ihre Richtung herum und starrte sie genauso überrascht an.
„Kaamel, schnell! Hierher!“ Wie aus dem Nichts erschien in Arkans Hand ein Kurzschwert mit schwarzer Obsidianklinge. Nur einen Moment später war sein Begleiter Kaamel zu sehen. Mit gezogenen Waffen stellten sich beide Julina in den Weg.
„Sieh mal einer an, wen haben wir denn hier?“, fragte Arkan.
Kaamel hob eine Fackel und leuchtete Julina ins Gesicht. „Bei Inanna! Sie ist wunderschön.“
„In der Tat.“ Arkan streckte die freie Hand aus und berührte Julinas Haar. Dann strich er mit schwieligen Fingern über ihre Wange.
Schön? Die beiden mussten von der Göttin mit Blindheit gestraft worden sein. Sahen sie denn nicht die Narbe auf ihrer Wange? Die viel zu tief liegenden Augen und die Ringe darunter? Die spröden und aufgeplatzten Lippen, mit denen Julina immer zu kämpfen hatte? Sie war alles andere als schön. Da sie in ihrem Dorf niemand wollte, war ihr nichts anderes übrig geblieben, als ihr Leben der Göttin Inanna zu weihen und Priesterschwester zu werden.
Julina keuchte, als die Hand des Fremden an ihrem Hals herunterwanderte und flüchtig ihre Brüste streifte.
„Ah, dir gefällt das.“ Er grinste und bleckte dabei die Zähne. „Kaamel, was hältst du davon, wenn du dich ein wenig zurückziehst, während ich mich mit diesem Weib unterhalte und sie für ihre verbotene Anwesenheit hier unten bestrafe.“
Ein Zungenschnalzen erklang. „Mir wäre es lieber, wir würden sie beide ihrer Strafe zuführen. Es ist vielleicht zu gefährlich, dich mit ihr allein zu lassen. Wer weiß, was sie im Schilde führt?“ Kaamels Augen glänzten vor Gier.
Arkans Hand blieb auf Julinas Brust liegen. Die bloße Berührung entfachte ein nie geahntes Feuer in ihrem Schoß, das ihr ein weiteres Aufkeuchen entlockte. Wie lange war es her, dass sie bei einem Mann gelegen hatte?
Nie. Nie hat dich jemand gewollt.
Ihre Gefühle gerieten durcheinander. Lust und Angst reichten sich die Hand. Doch so verlockend die Vorstellung war, dass diese beiden Tempelwächter sich wirklich für sie interessierten, es hatte nichts damit zu tun, dass sie sich nicht hier aufhalten durfte. Sie würden sie vermutlich vergewaltigen und anschließend für ihren Frevel töten. Julina schluckte bei dem Gedanken.
„Du hast recht. Dann halte Wache, während ich …“ Arkan sprach nicht weiter. Er drängte sich an Julina. Sie spürte seinen massigen Körper, der den ihren noch fester gegen die Felswand drückte. Ihr Rücken schmerzte. Sie bekam kaum Luft. Die Hitze, die sie zwischen den Schenkeln spürte erkaltete schlagartig, als ihr fauliger Atem ins Gesicht schlug und sie etwas Hartes spürte, das durch den Stoff von Arkans Tunika gegen ihren Unterleib stieß. Eine Hand fuhr ihr grob zwischen die Beine, krallte sich in ihr Fleisch. Seine Lippen strichen rau über ihre Wange, pressten sich dann auf den Mund. Angewidert versuchte Julina den Kopf wegzudrehen, doch der Kerl hielt sie unnachgiebig fest.
„Stell dich nicht so an, Weib!“ Arkans Hand raffte Julinas Tunika hoch.
Nein! Panik erfasste sie. Sie schlug um sich, boxte den Wächter gegen die Brust, erwischte seine Wange, doch er hielt sie unnachgiebig fest, bog ihre Hände und Arme zur Seite und stieß sie mit dem Rücken so fest gegen die Wand, dass ihr die Luft aus den Lungen getrieben wurde.
Wieder roch sie den sauren Atem. Spürte die feuchte ausgestoßene Luft auf ihrer Haut. Julina drehte sich zur Seite, doch Arkan riss sie brutal zurück und drängte sich zwischen ihre Beine. Sie wehrte sich verzweifelt, kratzte mit ihren Nägeln in Arkans Gesicht und hinterließ blutige Striemen in seiner Haut. Der Wächter fluchte, schubste Julina von sich und hieb auf sie ein.
Der erste Schlag traf sie gegen die Wange und schleuderte ihren Kopf herum. Sie stieß mit dem Rücken gegen die Wand. Schmerz explodierte in ihrem Schädel, als er sie gewaltsam unter dem Kinn packte und ihren Kopf gegen die Felsen schmetterte.
Julina wusste, dass sie keine Chance gegen den viel größeren, muskelbepackten Mann hatte. Sterne tanzten vor ihren Augen. Ihre Knie gaben nach. Sie betete nur dafür, dass es schnell vorüber war. Mochte die Göttin Inanna geben, dass sie das Bewusstsein verlor.
Arkan merkte sofort, dass Julina ohnmächtig zu werden drohte. Er packte sie unter den Armen und zog sie mit einem Ruck wieder auf die Beine, drückte sich zwischen ihre Schenkel. Sein Glied pochte gegen ihre ungeschützte Pforte. Nur noch wenige Augenblicke, dann …
„Nein!“
Arkan zuckte zusammen. Es konnte nicht allein an ihrem Schrei gelegen haben, so verzweifelt und schrill er auch klang. Julina sah, wie eine Dampfwolke aus ihrem Mund stob. Nicht blassgrau, wie sie es von Atem in kalter Umgebung gewohnt war, sondern in einem dunklen Grün. Die Wasserdampftropfen schienen zu funkeln und zu glitzern. Arkan war genauso überrascht wie sie und trat einen Schritt zurück. Er ließ Julina los und fasste sich genau in dem Moment an die Kehle, in dem ihn der grüne Atem erreichte. Seine Augen weiteten sich. Der Mund war zum Schreien geöffnet, doch kein Ton drang heraus.
Feine Äderchen platzten in seinen Augen. Arkan taumelte rückwärts, stolperte über einen Findling auf dem Höhlenboden und stürzte der Länge nach hin. Er zuckte, wälzte sich von einer Seite auf die andere.
Dann blieb er still liegen.
Auszug aus ÜBERRANNT:
Prolog
Die meisten Menschen verbrachten zu viel Zeit im Gestern. Ihnen fehlte der Mut und die Hoffnung nach vorn zu blicken. Dabei vergaßen sie oft, sich im Jetzt aufzuhalten und damit überhaupt das zu tun, wofür sie auf Erden waren: Leben.
Einfach zu leben. Den Tag zu genießen. Jedem Tag die Chance zu geben, der schönste zu werden. Das war Vincent Degerlunds Maxime und Devise. Er hatte oft genug miterlebt, was geschah, wenn man der Vergangenheit nachhing. Das Leben stagnierte. Statt zu sich weiter zu entwickeln, stapfte man auf der Stelle. Unzufriedenheit mit sich selbst und dem Rest der Welt waren oft das Resultat. Und diejenigen, die mit sich selbst im Argen lagen, zogen meist ihre Mitmenschen noch mit hinein. Tag ein, Tag aus hatten sie nichts Besseres zu tun, sich über alles zu beschweren und gewannen noch Sympathien und Zustimmung für ihre Meinung.
Vincent Degerlund lächelte, als er daran dachte, dass er dies alles hinter sich gelassen hatte. Er konzentrierte sich auf das, was er erlebte und erleben wollte. Er lenkte seine Gedanken und Wünsche in die richtigen Bahnen und bekam dafür vom Leben das geschenkt, was er wollte: Glück und Freude.
Ja, er war ein glücklicher Mann geworden, seit er aufgehört hatte, in der Vergangenheit zu leben. Er hatte eine wunderschöne Frau, zwei prächtige Söhne, erfreute sich bester Gesundheit und war als freischaffender Berater von börsenorientierten Unternehmen finanziell unabhängig. Letzterer Punkt ermöglichte es ihm und seiner Familie des Öfteren eine Auszeit zu nehmen. Wenn Geld keine große Rolle spielte, war man frei genug, einfach mal seine Sachen zu packen und übers Wochenende wegzufahren.
So wie an diesem verlängerten Osterwochenende. Sie hatten Glück mit dem Wetter. Die Temperaturen lagen zwar um die zehn Grad, doch der Himmel war wolkenlos und sonnig.
Die Jungs tollten am Ufer im Gras und warfen Steine ins Wasser, während Mia den Picknickkorb auspackte und Vincent immer wieder einen ihrer strahlenden Blicke zuwarf. Sie war genauso glücklich wie er. Das sah er. Er spürte es.
Es war perfekt.
Vincent war heute Morgen in aller Früh mit seiner Familie von Luleå nach Boden aufgebrochen und hatte einen schönen Platz am Ufer des Buddbyträsket gefunden, noch bevor andere Osterurlauber auf die gleiche Idee kamen. Am späten Vormittag begann sich das Grasufer zu füllen. Keine zwanzig Meter von ihrem Picknickplatz entfernt hatte sich eine Gruppe junger Leute niedergelassene, die Drachen steigen ließen.
„Ist dir nicht kalt?“, fragte Mia und riss Vincent aus den Gedanken.
Er sah sie an und wollte den Kopf schütteln, doch dann überlegte er, ob ein Vorwurf in ihrer Stimme lag. Immerhin rekelte er sich auf der ausgebreiteten Decke und faulenzte, während seine Frau die Arbeit machte.
„Möchtest du eine Jacke?“ Er sah, wie Mia den Kragen ihrer Strickjacke hochgezogen hatte. Im Wagen hatten sie noch Windjacken. Vielleicht war es besser, sie zu holen.
„Du bist ein Schatz.“ Mia beugte sich vor und gab ihm einen Kuss auf den Mund.
Als Vincent aufstand und zum Wagen ging, wehten die Klänge von Lenny Kravitz‘ Stand zu ihm herüber. Er warf einen Blick zurück und sah, wie einige der jungen Leute tanzten und ausgelassen feierten. Sollten sie ihren Spaß haben, solange niemand im betrunken Zustand begann Stunk zu machen.
Vincent fischte die Jacken aus dem Wagen und hörte plötzlich über die Musik hinweg einen Laut, der jeden Vater sofort alarmierte. Das Schreien seines Knirpses Casper. Er sah wie der Kleine und sein jüngerer Bruder Linus auf Mia zu rannten, die die beiden in ihre Arme schloss.
„Was ist denn los?“, fragte Vincent.
Linus begann zu weinen, während Casper in Richtung der jungen Leute zeigte. Eine Handvoll von ihnen hatte sich um einen Mann geschart, der offenbar neben der Picknickdecke auf dem Boden lag. Anscheinend war etwas passiert.
„Wartet, ich schau mal nach“, sagte Vincent. Doch bevor er Mia die Jacken reichen und gehen konnte, fiel plötzlich einer der anderen Männer ohne Vorwarnung hin. Direkt aus dem Stand. Er knickte in den Knien ein und stürzte, als hätte man einer Marionette die Fäden durchgeschnitten.
Ehe einer der anderen überhaupt realisierte was geschah, fiel der nächste.
Dann noch einer.
Eine Frau folgte. Zwei, drei Menschen sahen sich an, ehe sie einfach umkippten und nicht wieder aufstanden.
Casper brüllte wie am Spieß.
„Was geht da vor sich, Vincent?“, rief Mia verzweifelt. Ein hysterischer Unterton schwang in ihrer Stimme mit.
Vincent stand wie angewurzelt da. Er fühlte sich mit einem Mal überhaupt nicht mehr verpflichtet, nach dem Rechten zu sehen. Ihn beschlich das Gefühl, dass das, was die Jugendlichen heimsuchte, ihn selbst befallen konnte, wenn er nur in deren Nähe geriet.
Jetzt erwischte es auch die Leute, die vorher am Seeufer getanzt hatten. Wie die Fliegen fielen sie. Einer nach dem anderen. Zwei Frauen kreischten und rannten davon. Eine kam keine zwei Meter weit, als sie hinfiel und sich nicht mehr rührte. Die andere schaffte es bis zu einem der Vans, mit dem sie hergekommen waren, doch kaum, dass sie die Tür berührte, brach auch sie zusammen.
„Rasch. Weg hier.“ Vincent spürte Panik in sich aufsteigen. „Lasst alles stehen und liegen.“
„Mama!“ Linus. „Was war das?“
Der Junge entglitt Mias Hand und sackte zu Boden.
Nein, nicht Linus!
Mias und Vincents Blicke trafen sich. Entsetzen stand in ihren Augen. Gepaart mit tiefgründiger Furcht und der Gewissheit, dass es kein Entkommen gab.
Dann änderte sich Mias Ausdruck. Eine Falte entstand zwischen ihren Brauen. „Was … was war das?“
Im nächsten Moment klappte sie zusammen.
Casper hörte auf zu brüllen. Er sah Vincent an. Dieser wollte irgendetwas tun, seinen Jungen packen und rennen, doch das, was um ihn herum geschah, lähmte ihn. Nicht nur sein Körper war wie festgefroren, auch seine Gedanken schienen in einem Eisblock festzustecken.
„Papa?“
Casper sank vor seinen Augen zu Boden. Er verdrehte die Augen. Die Lider schlossen sich, dann fiel er in sich zusammen. Neben seinem Bruder und seiner Mutter.
Vincent verfolgte den Sturz wie in Zeitlupe. Er war nicht fähig zu denken, zu fühlen oder zu begreifen. Er merkte nicht, wie ihm der kalte Schweiß ausbrach, wie Übelkeit einen Würgereiz verursachte, ohne dass er in der Lage war, sich zu übergeben.
Fassungslos starrte er auf die leblosen Körper.
Dann jedoch erwachte für einen Sekundenbruchteil sein Verstand, als er etwas registrierte, dass er nicht einordnen konnte. Etwas Fremdes. Nicht Greifbares.
Irritiert hob er die Brauen und sah sich um.
„Was war das?“, hörte er sich selbst sagen.
Nur einen Augenblick darauf wurde es dunkel um ihn.
Vincent war bereits in dem Moment tot, als seine Beine nachgaben.