Vier Tage Mumbai.
"Tritt nicht in die Scheiße – das ist keine Hundescheiße!"
So sieht es aus in Mumbai. Slums in Luxusklasse mit Bretterbuden und Vorhang, Slums in mittlerer Klasse mit Plastikplanen vor Zelten, Slums in der Economy Kategorie, die nicht mehr als den Straßenrand selbst darstellen. Und an jeder Ecke liegt eine kleine oder etwas größere Tretmine, die tatsächlich keinen Hundeschiss darstellt, sondern mal einem Zweibeiner gehört hat.
Der Verkehr ist auch einmalig. Regeln? Braucht man nicht. Mit "Bumper-to-Bumper" Fährt man völlig korrekt und braucht sich eigentlich keine Sorgen zu machen. Hupkonzerte sind allgegenwärtig, denn sie signalisieren, "hier bin ich, vorsicht", oder besser noch "hier bin ich, Platz da!".
Mal abgesehen von dem Linksverkehr, sagte ich einem indischen Angestellten eines Lieferanten, dass ich keine 15 Minuten in diesem Verkehr überleben würde, wenn ich selbst ein Fahrzeug steuere. Der Bursche lachte sich doch glattweg darüber kaputt.
Wegen der vielen und andauernden Meetings und den strengen Sicherheitskontrollen war von Mumbai selbst nicht allzu viel zu sehen. Nur an unserem ersten Tag, als wir eine Streckenprüfung vornahmen, um den Transport eines besonders heiklen Baustück namens Ammoniak-Konverter zu begutachten, waren wir "auf der Straße" und konnten mit eigenen Augen sehen, welche Verhältnisse bei der indischen Bevölkerung herrschten. Aber selbst wer im dreckigsten Loch hauste, war noch picobello gekleidet. Das Entleeren des Darmtraktes auf offener Straße ist schon für Europäer eine ziemlich unverständliche und abstoßende Angelegenheit, aber ich war auf solche Fälle vorbereitet und fand es im Nachhinein einfach nur interessant, dass das, was man mir erzählt hat, stimmte.
Die beiden Tage darauf verbrachten wir in klimatisierten Konferenzräumen und mit Werkstattbesichtigungen. Von der Landschaft also keine Spur mehr, dafür aber von der Gastfreundschaft umso mehr. Das mag zwar nicht jedermanns Fall sein, von vorne bis hinten betüddelt zu werden, aber das gehört hier einfach mit dazu.
In einem "Family Restaurant" standen mehr Diener um unseren Tisch herum, als sich Gäste im Lokal befanden. Leider kommt man kaum zur Ruhe beim Essen, denn die Kellner servieren ständig und ungefragt nach. Wer nicht aufpasst, hat statt sein vorgenommenes Gläschen Wein am Ende der Mahlzeit fünf oder sechs Gläser getrunken.
Sprach- und ratlos sind die Inder, wenn sie nicht mehr weiter wissen oder mit dem westlichen Standard nicht mithalten können. Aber auch sie müssen feststellen, dass ein Lieferverzug kein Zuckerschlecken ist und eine "Kommste heute nicht, kommste morgen"-Haltung nicht mit einem freundlichen Lächeln wegzugrinsen ist.
"What can I do, Sir? What can I do? I am only the manager."
Am Ende des Tages hat sich die Reise jedoch nicht als so komplizert herausgestellt, wie ich vermutet hatte. Ich bin nicht verhungert, und alles andere hat reibungslos und wie am Schnürchen geklappt. Meine Mitreisenden waren völlig aus dem Häuschen: Keine großen Schlangen am Flughafen Mumbai, keine nennenswerten Wartezeiten bei der Einreise, problemloser Transfer vom Flughafen zum Hotel, trotz Monsunzeit kein Regen und relativ humane Temperaturen (ca. 27 Grad mit hoher Luftfeuchtigkeit, die aber noch auszuhalten war), kein prognostizierter Durchfall und die Rückreise war fast zu traumhaft, um wahr zu sein. Der Lufthansa-Jumbo landete überpünktlich 20 Minuten vor Schedule am Frankfurter Flughafen, den Anschlusszug bekamen wir auch sofort mit, da unsere Koffer gleich als erste über das Band rollten – First in, first out.
Hier noch ein paar Impressionen aus meiner Handykamera. Die mit * gekennzeichneten Fotos stammen von Christoph Hilgers.

Business Class ist ganz großes Kino. Hier schaue ich gerade entspannt Star Trek (2009)
Überall gegenwärtig: Motorisierte Rikschas, teilweise wurde der Zweitakter mit Gas umgerüstet.
"Du wolle Taxi?"
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Um diese Brücke ging es bei unserer Streckenprüfung.
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Morgendliches Kaltschalenmantra. Nein, der Gute hat nicht getrunken, sondern auf den Schalen gespielt.
Blick von der A-Bar im Marriot Renaissance Hotel zur Skyline Mumbais.
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Kinder lassen einen Drachen steigen. Die Bruchbude auf deren Dach sie stehen ist nicht verlassen, sondern bewohnt.
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Ein Flussnebenarm von dem aus eine Verladebarkasse aus unseren Konverter übernehmen soll. Das Weiße auf dem Wasser sind keine Tauben, sondern schlichtweg MÜLL.
Eins noch zum Schluss: Sie dürfen auch weiterhin getrost Bombay zu Mumbai sagen. Ich habe die Inder interviewt. An die offizielle Namensänderung der Stadt kann sich von ihnen auch keiner gewöhnen. Sie reden auch nur von Bombay.
Das war Indien. Im worst case scenario bin ich Anfang Oktober vielleicht noch mal dort.