Ständig werde ich gefragt, wann denn das Buch raus kommt, „in dem ich mitspiele“. Ja, tatsächlich haben mich einige Leute in meinem Umfeld geärgert und sich damit eine kleine Nebenrolle im nächsten Vigilante-Roman verdient.
Ich befinde mich aktuell im letzten Drittel des Romans und habe heute einen Klappentextentwurf für den Verlag abgeliefert.
Zwischendurch bekommt ihr eine kleine, völlig unlektorierte und nicht überarbeitete Kostprobe aus dem ersten Kapitel:
Die Beine der Schwarzhaarigen waren atemberaubend lang und wurden durch den ultrakurzen Ledermini und die 12-Zentimeter-Absätze ihrer Stilettos optimal zur Geltung gebracht. Ein wenig anzüglicher Hüftschwung, eine bis zum Brustansatz geöffnete Bluse, ein freundliches Lächeln und der dezente Duft von Obsession konnten so manchen Mann um den Verstand bringen.
Mark Jedediah Vigilante bezeichnete sich vielleicht nicht als so mancher Mann, aber die Auswirkungen waren quasi die gleichen.
Ein Räuspern brachte ihn aus dem Reich der dunklen Fantasien in die Wirklichkeit zurück. Er riss seinen Blick gewaltsam von der davon schlendernden Hostess namens Tamara, sah verlegen in sein Whiskey-Glas und nippte an dem 16 Jahre alten Lagavulin, den er selbstverständlich pur und nicht auf Eis trank.
„Das Angebot steht noch“, sagte die Stimme, die sich zuvor geräuspert hatte.
Vigilante blickte hoch und direkt in die dunkelbraunen Augen einer attraktiven Frau, deren Alter er nur schwer einschätzen konnte. War sie Mitte vierzig? Oder zehn Jahre älter? Oder zwanzig? Ein paar Fältchen kräuselten sich um ihre Augenpartien, sogenannte Krähenfüße. Wenn sie lächelte, bildeten sich Grübchen um die Lippen. Doch das taten sie auch bei vielen Dreißigjährigen, die Vigilante kannte. Madame Dunoire, oder Madam Black, wie sie sich zuweilen auch nannte, war ihm bisher ein Rätsel geblieben. Viel wusste er nicht über sie, nur dass sie sich in hohen Regierungskreisen und der High Society in und außerhalb der Vereinigten Staaten bewegte, jede Menge nützliche Kontakte besaß und vor allen Dingen eines war: Diskret.
Das musste sie auch, denn Madame Dunoire unterhielt ein fliegendes Nobelbordell an Bord des umgerüsteten Airbus A380 an dessen Außenwänden der Name Belle Aire II prangte. Ein Mitflug und der Service der edlen Hostessen kostete den Interessierten ein kleines Vermögen von 20.000 Dollar. Die Maschine hob nur voll ausgebucht ab und im Preis mit inbegriffen war die Verschwiegenheit, dass sich keine der Gäste über den Weg liefen. Das an Bord installierte System aus Séparées, Ruhezonen und Wellnessbereich war für jeden Gast individuell angelegt und garantierte, dass der CEO einer namhaften New Yorker Bank auf keinen Fall das Gesicht eines saudi-arabischen Prinzen, eines amerikanischen Senators oder eines deutschen Kabinettsmitglieds oder das eines römischen Kardinals zu sehen bekam. Ja, auch von dem letzten Amtsträger zählte Madame Dunoire einige zu ihrem Klientel.
Vigilante blickte Tamara hinterher und schürzte die Lippen. Er war bereits einmal mit den Diensten einer von Madame Dunoires Damen belohnt worden. Unglücklicherweise stellte diese sich im Nachhinein als Spionin und Attentäterin heraus. Die Erinnerung daran war zwar noch frisch, aber Vigilante unterstellte Dunoire einfach, dass sie danach ihre Einstellungskriterien von Hostessen überdacht und verschärft hatte.
„Und?“, hakte die Bordellchefin nach, als Vigilante nicht antwortete.
Er schüttelte den Kopf. „Tammy ist nicht mein Typ. Vielleicht komm ich später auf Ihr Angebot zurück, solange Sie mir nicht wieder jemanden wie Zabette an die Seite stellen.“
Dunoire legte den Kopf schief. In ihren Augen mischte sich ein Ausdruck echten Bedauerns. „Das mit Zabette konnte niemand ahnen.“
Zabette. Die Spionin und Verräterin.
Schnee von gestern, dachte Vigilante und schluckte dabei hart. Rasch spülte er mit Lagavulin nach. „Vielleicht sollten wir jetzt zum geschäftlichen Teil kommen.“
Madame Dunoire nickte und schlug ein Bein über das andere. Dadurch rutschte ihr ohnehin knapp vor dem Knie endender Rock ein Stückweit zu hoch und gab mehr Bein Preis als es schicklich war. Vigilante ertappte sich dabei, wie er den Blickfang schamlos ausnutzte. Madame Dunoire bemerkte natürlich, welche Aufmerksamkeit sie auf sich zog und lächelte wissend, während Vigilante rot anlief.
„Tut mir Leid.“
„Keine Ursache, Jed. Ist nur menschlich.“
Männlich hatte sie sicherlich sagen wollen und Vigilante kam sich in diesem Moment ziemlich dämlich vor.
Dunoire öffnete einen weißen Umschlag im Letter-Format und zog einige Fotos von Briefpapiergröße hervor. Das erste legte sie mit der Bildseite nach oben auf den Tisch. Es zeigte eine junge Frau mit langem, kastanienfarbenem Haar, rehbraunen Augen und einer spitzen Nase.
„Das ist Cheyenne Annabelle Buckingham“, sagte Madame Dunoire. „Tochter von Lennox Evan und Patricia Buckingham.“
Der Name sagte Vigilante etwas. Zumindest hatte er ihn irgendwo einmal gehört und brachte ihn nicht unbedingt mit einem britischen Herzog oder dem Regierungssitz in Verbindung.
„Helfen Sie mir auf die Sprünge, Ma’am.“
Dunoire drehte ein zweites Foto um. Ein Mann. Vielleicht Mitte fünfzig. Grauer Fünftagebart. Lockiger, wirrer Haarschnitt, wässrige blaue Augen, die von Alkohol aufgedunsen wirkten.
„Lennox Buckingham.“ Dunoire schnalzte mit der Zunge. „Ein Kunde von mir. Vorstandsvorsitzender und Eigner von Buckingham & Lloyd Enterprises, einer Investmentfirma, die unter anderem Colt unterstützt.“
„Den Colt?“, hakte Vigilante nach und wusste sofort, dass der amerikanische Waffenhersteller gemeint war.
Dunoire nickte und drehte ein weiteres Foto um. Es zeigte eine äußerst attraktive Mittvierzigerin mit langgelocktem, schwarzem Haar, hohen Wangen und vollen Lippen. Ihr klarer Blick hatte etwas Elektrisierendes. Vigilante ging davon aus, dass es sich bei der Frau um Patricia Buckingham handelte. Interessanterweise waren auch ihre Augen blau, wie die ihres Mannes. Ungewöhnlich, dass die der Tochter einen Braunton aufwiesen. Entweder eine genetische Spielerei oder jemand trug farbige Kontaktlinsen.
„Patricia Buckingham“, bestätigte Dunoire Vigilantes Vermutung. „Persönliche Assistentin von Senator Bridges im Verteidigungsausschuss.“
Vigilante hob eine Braue. „Jetzt wird es interessant.“
„Noch nicht.“ Dunoire drehte noch ein Foto um. Eine weitere Frau, in etwa in Cheyennes Alter. Blond. Stubsnase. Ein Muttermal auf der linken Wange.
„Ah, Barbie spielt auch mit“, sagte Vigilante, murmelte jedoch sofort ein „Entschuldigung“ als er Dunoires strafenden Blick einfing.
„Das ist Lindsey Adams.“ Die Bordellchefin schob das Foto über den Tisch in Vigilantes Richtung. „Den Eltern zufolge Cheyennes beste Freundin.“
Der Ex-Secret-Service-Agent nickte und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. „An welcher Stelle komme ich ins Spiel?“
„Cheyenne und Lindsey sind in Mailand entführt worden. Sie erpressen die Buckinghams um 100 Millionen Dollar, andernfalls töten sie die Mädchen.“
Vigilante pfiff durch die Zähne. „100 Millionen? Das ist eine stolze Summe. Buckingham wird so viel sicher nicht in der Portokasse haben, oder?“
„Doch, hat er. Und er ist bereit zu bezahlen.“
„Was?“
Dunoire nickte. „Er hat die italienischen Behörden nicht informiert. Ebenso wenig das FBI oder Interpol. Er will zahlen.“
„Und warum hat er sich an Sie gewandt?“ Vigilante beugte sich über die Fotos und sortierte sie in der Reihenfolge Lennox, Patricia, Cheyenne. Dann schob er Lindseys Konterfei zur Seite. Sie gehörte nicht zur Familie und war im schlimmsten Fall Kollateralschaden. Vigilante sah hoch und blickte Madame Dunoire an. „Oder hat er das gar nicht? Sondern seine Frau?“
Die Dunkelhaarige schüttelte den Kopf. „Nein, es war schon Lennox, der sich an mich gewandt hat, um die Sache schnell, diskret und sicher zu erledigen.“
Vigilante lehnte sich in dem Sessel zurück und breitete die Arme aus. „Okay. Warum sitze ich dann in diesem Flugzeug mit all den Reichen, die sich gerade in den Séparées mit Ihren Mädchen vergnügen? Sie wollen mich doch engagieren, um die Buckinghams Tochter und ihre Freundin dort rauszuholen.“
„Nein, Jed. Ich will die Sache schnell … diskret … und vor allen Dingen sicher für Lennox Buckingham erledigen. Und da kommen Sie ins Spiel, mein Lieber. Sie sollen den Geldkurier spielen.“
Vigilante verschluckte sich an dem Whiskey, stellte mit Mühe das Glas auf dem Tisch ab, ehe er den Rest des Inhalts verschlucken konnte und hustete.
„Ich soll einen Botenjob übernehmen? Bei allem Respekt, aber dafür brauchen Sie mich doch nicht, Ma’am.“
Dunoires Lächeln wirkte einschmeichelnd und tadelnd zugleich. „Glauben Sie wirklich, Jed, ich würde Sie wegen eines gewöhnlichen Jobs anheuern lassen? Lennox Buckingham ist bereit zu bezahlen und hat mich gebeten, die Übergabe zu arrangieren. Gleichzeitig habe ich einen Auftrag von seiner Frau erhalten. Sie konnte wohl gegenüber Senator Bridges nicht ihre Klappe halten und hat von der Entführung erzählt. Ein Senator im Verteidigungsausschuss und die Politik des Landes, weder mit Terroristen noch mit Geiselnehmern zu verhandeln vertragen sich sehr gut miteinander. Bridges hat Patricia Buckingham unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass kein Geld an die Entführer fließen darf und drängt sie auf Einbeziehung des FBI.“