Google hat durchaus meine Sympathien.
Ich lass mal den ganzen Verschwörungskram in Sachen Datenkrake weg und bewerte hier die Produkte, die sie auf den Markt gebracht haben und die das Leben heute in mancher Hinsicht bereichert haben. Die Suchmaschine, klar. Aber Google Maps inklusive seiner hervorragenden Navigation, Youtube, Android, Chrome … es gibt viele Dinge für die man Google ebenso lieben, wie auch hassen kann.
Ja, da wird schnell über Android geflucht, meistens von denen, die es nicht zu verstehen.
Chrome ist aber definitiv eine schicke Sache. Klar, auch hier kann man fluchen, denn Systemressourcen gehen schnell in den Keller. Chrome frisst Speicher. Chrome frisst Strom. Gar keine Frage. Aber egal an welchem Gerät ich mich anmelde, ich nehme alle Lesezeichen und Eingaben mit.
Als macOS-User nutze ich Chrome, nicht Safari. Ja, ist so. Safari hilft mir nicht auf Windows- oder Android-Geräten. Chrome gibt es überall.
Apple tönt gerne von Safari als dem fortschrittlichsten Browser des Planeten und aller Zeiten. Davon merke ich nichts. Safari startet bei mir unerträglich langsam auf meinen Macs. In der Zeit hat Chrome bereits 20 Tabs geladen.
Aber egal, es geht nicht um Chrome (obwohl … später), sondern um Google und seine 2018er Präsentation Made by Google, die am 09.10. gehalten wurde.
Ich hab sie live mitverfolgt, im Stream. Und wäre fast eingeschlafen.
Motivation geht anders. Da wundert sich auch keiner, warum bei einem offensichtlichen Aha- und Oho-Effekt niemand applaudiert. Zum großen Teil natürlich, weil es keine Aha-Effekte gab, denn im Vorfeld der Präsentationen war so gut wie alles gelaked worden, sodass es nicht eine einzige Überraschung mehr gab. Google hätte sich die Geldausgaben für die Präsentation schenken können. Oder an die Mitarbeiter verteilen.
Schon die Leaks hatten enttäuscht und dann mitansehen zu müssen, dass alles wahr ist – das ist schon bitter.
Google macht sich nicht mal mehr die Mühe die Innereien seiner Produkte an die große Glocke zu hängen. Während Apple dir noch erzählt, was für eine Bildschirmauflösung mit welchem Prozessor und was der alles viel schneller kann zu erzählen … da lässt Google einfach einen Präsentierteller hochfahren und zeigt drauf: Da, da sind sie, unsere neuen Produkte. Guckt schnell. Okay, reicht.
Das war schon peinlich. Den Skripter für so eine Präsentation sollte man keine Kammerstücke schreiben lassen. Eher Horrorromane in kürzester Form. Montag. Reicht.
Ich schweife ab …
Google präsentiert den Home Hub. Ein 7″ großen Bildschirm analog zu Amazons Echo Show (1. Generation) mit dem man nicht nur Verbal, sondern in Wort und Bild interagieren kann. Ich glaube das Wichtigste daran waren Google all die Hausfrauen, die Kochrezeptevideos in der Küche brauchen. Klingt etwas chauvinistisch, oder?
Ich hab einen Echo Show zu Hause und ganz ehrlich? Letztendlich braucht niemand sowas. Eigentlich sorgt er nur für Ablenkung, denn neben der Uhrzeit werden immer wieder Schlagzeilen eingeblendet und wenn man auf der Couch liegt wandert dann doch immer wieder der Blick dahin um bei einer interessanten Headline zu sagen „Alexa, erzähl mir mehr“.
Sicher kann man seine Hausgeräte mit dem Teil steuern. Genau wie mit dem Echo. Oder dem Home Pod von Apple. Man braucht dafür keinen Bildschirm. Schon keinen Mikroschirm von 7″ Größe, da kann man auch gleich sein Smartphone zur Hand nehmen und den Google Assistant bemühen.
Wofür nutze ich denn den Echo von Amazon? Morgens weckt mich ein Spot mit Radio. Im Bad frage ich einen anderen Spot nach dem Wetter – der Bildschirm ist hier schon vorteilhaft, da er nicht nur das aktuelle Wetter zeigt, das Alexa auch verbal vorplappert, sondern gleich eine Aussicht auf die nächsten 7 Tage einblendet. Anschließend lasse ich mir Nachrichtensendungen vorspielen. Das war es.
Und so ein Google Home? Ach ja, um das Licht ein und auszuschalten, weil die Philips Hue Dinger keinen Ein- und Ausschalter haben und es schneller geht „Hey Google, Licht an!“ zu sagen, als ein Tablet oder Smartphone zur Hand zu nehmen, zu entsperren, die Philips Hue App aufzurufen und dort einen Button zu drücken.
Manchmal lasse ich Google auch rechnen. Genau wie Siri. Dumm nur, dass Division nicht geht. Aber egal. Google Home Hub – ich sehe den Anwendungszweck genauso wenig wie beim Echo Show. Finger davon. Braucht niemand.
Aber das Fiasko kommt ja noch. Die neuen Pixel-Geräte. Die Smartphones.
Blicken wir mal kurz zurück. Früher vergab Google Auftragsarbeiten an Firmen wie HTC, Samsung, LG um die Nexus-Smartphones zu fertigen.
Nexus, das bedeutete nacktes Android, kein Firlefanz. Anfangs eher als Entwickler, denn als Konsumentengeräte anzusehen und auch recht teuer. Bis Google dann beim Nexus 4 zurückruderte.
Das Nexus 4. Von LG produziert. Glasrückseite. Kabelloses Qi-Laden. Und unfassbar günstig für ein Smartphone von diesem Format. Das war 2012!
Der Kurs wurde fortgesetzt mit Nexus 5 und dem 7er Tablet, das Nexus 6 noch dazu, ehe die X- und P-Varianten dann doch wieder im Preis anzogen.
Und dann hieß es: Aus für Nexus. Offenbar waren die einstelligen Nummern ausgegangen. Und niemand mag ein Produkt HAMMERPHONE 2131 nennen. Nummern sind so eine Marketing-Sache. Wenn es zweistellig wird, wird es eng, das noch ins Bewusstsein der Konsumenten zu trichtern. Gib den Dingern dann lieber Namen und lass die Nummern intern weiterlaufen. Siehe macOS.
Die ersten Pixel-Smartphones sollten ja direkt von Google kommen. Hinterher stellte sich heraus, dass doch namhafte Hersteller dahinter steckten. So wurde das Pixel von HTC entwickelt und das Pixel XL von LG. Wer das Pixel C Tablet gemacht hat, weiß ich allerdings bis heute nicht.
Trotz neu designter Rückseitenoptik (Mischung aus Glas und Alu) wirkten die Pixel-Geräte von vorne wie iPhones der 6er-Reihe. Rundungen, Ränder. Nur der Homebutton auf der Front fehlte.
Die zweite Generation machte es nicht viel besser. Das Pixel 2, wieder von HTC, sah seinem Vorgänger sehr ähnlich. Beim Pixel 2 XL gab es einen Designschwung. LG stand erneut hinter dem Gerät und nahm eine Hybridmischung seines LG G6 und des V30 zum Vorbild. Das von Samsung nach vorn gepuschte 18:9-Format erhielt Einzug beim XL und man bekam schmalere Displayränder als sonst zu sehen – allerdings mit Abstrichen. Oben und unten immer noch recht dick gehalten und mit abgerundeten Bildschirminnenrändern, die bei Samsungs gekrümmten Displays noch Sinn ergaben, bei LGs Variante doch komplett fehl am Platze waren.
Kameratechnisch sind die Pixel 2-Geräte top. Immer noch. Performance-Technisch leiden sie aber nach einem Jahr auch am Android-Problem. Nicht nur MKBHD legte vor Ablauf der Jahresfrist sein Pixel 2 XL beiseite, um auf ein OnePlus 6 umzusteigen, weil das Pixel-Gerät trotz plain Android träge in der Performance geworden war. Nein, unabhängig vin Marques Brownlee hatte ich auch zum OnePlus 6 gegriffen und es als Ablöse meines Daily Drivers erkoren. Keine Ahnung, ob das Pixel 2 XL noch ein weiteres Jahr durchhält. Gerade das Aufwecken aus dem Standby verursacht starke Reaktionsverzögerungen.
Nun, es soll nicht um das Pixel 2 gehen, sondern um das Pixel 3. Diesmal ist offenbar noch nicht durchgesickert, wer Hersteller der Geräte ist. Jedenfalls hat sich designtechnisch nur marginal etwas getan. Die Rückseiten der beiden Geräte haben sich optisch nur in der Hinsicht verändert, dass wir jetzt eine Vollglasschicht haben, wo vorher noch Alu matt schimmerte. Dies ermöglich kabelloses Laden nach Qi-Standard. Hört, hört, so weit war Google schon 2012 mit dem Nexus 4.
Die Front beim Pixel 2 hat sich etwas gebessert, aber die Ränder oben und unten sind immer noch als absolut FETT zu bezeichnen. So gar nicht Stand 2018.
Der große Bruder, das Pixel 3 XL geht den Weg, den viele Hersteller dieser Tage wählen. Google präsentierte das XL als „Edge to Edge Display Smartphone“ – ja, da kann man schon kotzen, wenn man sieht, was die unter Ecke zu Ecke verstehen.
Unten prangt ein extrem dicker Rand. Oben eine extrem fette Notch (Einkerbung) in der Sensoren und Frontkameras untergebracht sind.
Interessanterweise gibt das nackte Android nicht die Option her, die Notch auszublenden, wie es beispielsweise OnePlus oder Huawei offeriert.
Noch schlimmer: Google verzichtet auf On-Screen-Navigationsbuttons und setzt auf eine unspirierte Gestensteuerung, die mich in den Wahnsinn treibt. Ich hatte sie beim Pixel 2 XL aktiviert, um mich damit vertraut zu machen – während diese beim iPhone X und beim OnePlus sehr schnell in Fleisch und Blut übergeht, ist sie beim Pixel wenig intuitiv.
Der Clou kommt aber noch. Was nützt dir ein „Edge-to-Edge“-Display, das in Wahrheit keines ist, wenn noch weitere Beschränkungen direkt auf dem Display selbst zu finden sind?
Fakt 1: Die Gestensteuerung ist überflüssig da anstelle der Navigationsbuttons ein Navigationsstrich eingeblendet wird, der nahezu den gleichen Platz einnimmt, wie die Buttons zuvor.
Fakt 2: Die bemerkenswert große Suchleiste von Google, in die man gar nichts schreiben kann, sondern die bei Berührung einen neuen Bildschirm öffnet, nimmt noch mal den Platz weg den man getrost für App-Icons hätte nutzen können.
Fakt 3: Diese fette nichtsnutzende Suchleiste (man kann ja bequem über den Google Assistant suchen – selbst Microsoft bietet unter Windows 10 die Möglichkeit, das breite Cortana-Suchfenster auf einen Kreis zu minimieren an) war bei den Pixel 1 Geräte noch gar nicht vorhanden. Da hatte man ein kleines G-Widget links oben am Bildschirmrand, das man bei Suchbedarf antippen konnte.
Episch. Episch daneben.
Auch Leistungstechnisch fasst man sich bei den Pixel 3-Geräten an den Kopf. Klar, Google ist so dämlich seine Geräte zum Jahresende vorzustellen. Die neuen Prozessoren kommen aber zum Jahresanfang, sodass Samsung immer den neusten Snapdragon verbaut, während die zum Erscheinen der Pixel-Geräte dieser schon fast wieder gegen das neue Modell ausgemustert wird.
Dennoch: Auch wenn viele den Kopf schütteln, hat sich bei einigen Geräten letztes und auch dieses Jahr gezeigt, dass mehr RAM durchaus mehr Performance bieten kann. Eine Tatsache, die das Galaxy Note 8 beispielsweise nicht so schnell die Grätsche machen ließ, wie das S 8.
Man mag OnePlus belächeln, aber die wissen schon, warum sie 8 GB RAM in ein Smartphone knallen. Und ich als Anwender weiß, warum ich das haben will. Nicht nur, weil es auf dem Papier steht, sondern weil es echten Leistungsschub bringt und Programme länger im Speicher bleiben, ohne beim erneuten Aufrufen neu gestartet werden zu müssen. App-Wechsel leicht(er) gemacht.
4 GB RAM bei den Pixel 3 Geräten erscheinen hier also unterdimensioniert. Zumal die KI für die Kamera noch mehr berechnen muss als zuvor.
Machen wir den Rest kurz: Nur für eine bessere Kamera mit einer hässlicheren Optik als im Vorjahr muss niemand erneut 949 Euro ausgeben. Peng.
Aber dann präsentierte Google doch noch etwas, das mein Interesse weckte. Letztes Jahr war es das Pixelbook, das leider nie nach Deutschland kam. Ein Import lohnt sich für mich nicht, ich brauche ein QWERTZ-Layout, um schnell tippen zu können.
Diesmal gibt es das Pixel Slate zu sehen, ein neues Tablet, Made … nun ja, Made by Google.
12,3 Zoll bei 3000 x 2000 Pixeln Auflösung, damit ein beliebtes 3:2 Format. Leider mit dicken Displayrändern, also schon fast geschenkt, wäre da nicht diese … diese Sache … mit dem Betriebssystem.
Ja, das 12,3″ Gerät mit anklickbarer Folio-Tastatur und Stiftunterstützung erinnert ganz klar an ein iPad Pro, aber es arbeitet nicht mit Android, sondern mit Chrome OS in einer angepassten Touch-Funktion.
Und genau das ist der Punkt. Im Gegensatz zu Android, das über den Nutzungszeitraum immer langsamer wird, ist ChromeOS ein Betriebssystem, das beim Boot quasi einen Browser neu starten lässt. Wesentlich weniger Datenleichen liegen in dem System – sofern man es nicht mit Android Apps zumüllt, denn das können Chrome-OS-Geräte mittlerweile auch.
Ja, der Haben-wollen-Faktor als Ablöse für meine HP Chromebook ist schon da. Preislich bei 599 Dollar deutlich unter den iPad Pro Preisen, auch wenn die Tastatur mit 199 Dollar teurer als das Smartkeyboard Apple ist. Der Stift wird mit 79 Dollar dann wieder günstiger als der der Nachbarn aus Cupertino.
Aber die Sache hat drei Haken:
- Das Gerät wird vermutlich wie das Pixelbook nie nach Deutschland kommen.
- Die 599 Dollar gelten für einen Celeron Prozessor mit 4 GB RAM. Danach geht es rapide preislich aufwärts zu einem i7 bei 1.599 Dollar
- Google gibt die Akku-Leistung mit pauschal 10 Stunden Nutzungszeit an – hallo? Bei einem i7? Glaubt ihr wohl selbst nicht, das Ding wird nach vier Stunden die Grätsche machen.
Chromebooks, hierzulande nicht so beliebt wie in den USA, waren mal günstig. Heute greift man in die gleiche tiefe Tasche wie bei Apple- oder Microsoft-Geräten.
Schade, Google. Schade.
Nächstes Jahr?