Amazon-Geräte sind günstig, weil Amazon sie über seine Verkäufe subventioniert.
Kann man so nicht stehen lassen. Sicherlich bietet Amazon einige Geräte weiter unter einem Erwartungspreis an. Schauen wir uns die Kindle-Familie an. Für 60 Euro oder manchmal sogar noch drunter, bekommst du einen E-Reader mit E-Ink-Display.
Es gab Zeiten, da war das undenkbar. Als ich 2010 meinen ersten E-Ink-Reader kaufen (Ein Cybook Opus von Bookeen), war das ein billig verarbeitetes, knarzendes Plastikgerät mit geringer Auflösung, schlechtem Weißwert, 5″ Display, ohne Touchscreen für 225 Euro – und das noch im Angebot! Der Originalpreis hätte bei 260 Euro gelegen.
Mein zweiter E-Reader war ein Sony-Gerät, ebenfalls 5″, mit Infrarot-Touchscreen, der zumindest unter die 200 Euro Marke fiel und 189 Schleifen kostete. Den besitze ich sogar heute noch, lese aber nicht mehr daran. Pearl-E-Ink war damals noch nicht, von Encarta E-Ink ganz zu schweigen.
Mit Niedrigangeboten wie dem Kindle (ohne Touchscreen, ohne Hintergrundbeleuchtung, aber mit Pearl-E-Ink) hat Amazon den E-Reader Markt revolutioniert und für jedermann erschwinglich gemacht. Noch zwei Jahre vor meinem ersten E-Reader hätte man für 400 Euro ein „tonnen“schweres Rocketbook mit sich herumgeschleppt und E-Ink war da eher ein Fremdwort.
Dann kamen die Geräte mit Hintergrundbeleuchtung und schärferem Display. Ein aktueller Kindle Paperwhite (3. Generation, Encarta-E-ink, höhere Auflösung) kostet 119 Euro, immer noch relativ günstig, wenn man die Preise denkt, die früher aufgerufen wurden.
Aber es geht auch anders. Mit dem Kindle Voyage bietet Amazon ein Luxus-Gerät an, mit kapazitivem Display, wesentlich besserer Verarbeitung, toller Ausleuchtung – und lässt sich dies auch bezahlen. 189 Euro werden hier aufgerufen, für ein E-Ink-Lesegerät kein Schnäppchen mehr.
Im Tabletbereich hatte Amazon mit dem „Kindle“ Fire damals für 199 Euro auch schon eine Kampfansage geboten. Für Nutzer von Amazon Content gar nicht so verkehrt, für Android-Geeks war und ist die UI jedoch eine einzige Katastrophe. Vom originalen Betriebssystem keine Spur mehr, angepasst bis zum geht nicht mehr und alles auf „Kauf mehr Apps, kauf mehr Filme, kauf mehr Bücher“ getrimmt.
Die unsägliche Karussel-Darstellung der zuletzt aufgerufenen Anwendungen hat sich bis zur Version 4.5 von FireOS gehalten.
Aber Amazon konnte auch anders und bot auch hier Luxusgeräte an. Ein 8.9″ großes Gerät, das dann deutlich teurer wurde, während man im 7″ Bereich dann mit verschiedenen Auflösungen hantierte. Der Fire HD 7 kam mit HD-Auflösung dann im unteren Preissegment für 159 Euro heraus, während der HDX 7 sich irgendwo weiter oben ansiedelte.
Die dritte Generation des HDX 8.9 mit immerhin mit 2560 x 1600 Auflösung kostete mit sattem 64-GB Speicher in der WiFi-Variante 479 Euro. Soviel kostete ein iPad Mini 3 mit 64 GB auch.
Billig geht anders. Zugegeben, das Fire HDX 9 ist gegenüber dem ur-Fire-Tablet ein echtes Schmuckstück. Sehr dünn, griffig, die Ränder nicht mehr zu dick aufgetragen und schnell in den Prozessen. Wenn auch die gummilamierte Rückseite ein starker Fingerabdruckmagnet ist.
Aber wie gesagt, Amazon hat hier ein Hochpreissegment im Tablet-Bereich bedient, das alles andere als durch App- oder Content-Käufe subventioniert wurde. Gleiches gilt für das Firephone, wobei das noch einmal eine andere Nummer war: Total überteuert für veraltete Technik mit netten Gimmicks. Unter der Haube stellte das Firephone nur ein Mittelklasse-Gerät dar. Geringe Auflösung, kleines Display, schwacher Prozessor – da helfen auch 3D-Features nicht viel, um den viel zu hohen Preis zu rechtfertigen.
Mit der heutigen Ankündigung sehen wir jedoch, dass Amazon hier stark zurückrudert und die teuren Geräte im Fire-Bereich nun ausklammert. Das Firephone ist eh geschichte und wurde aus dem Programm genommen.
Seit heute wird das Fire HDX 8.9 auch nicht mehr in der Fire-Familie auf der Hauptproduktseite geführt, es gibt nur noch Geräte, die möglichst günstig oder billig an den Mann und die Frau gebracht werden wollen.
Der Hit ist hier das nur „Fire“ genannte Tablet. 7″ Bildschirmdiagonale bei nur 1024 x 600 Pixeln Auflösung, lachhaften 8 GB RAM, aber erweiterbar durch Micro-SD bis zu 128 GB wechselt den Besitzer für ganz schlappe 59,95 Euro.
Zweiter im Bunde ist eine Nummer kleiner. Das 6″ kleine Fire HD 6 ist für 99,99 Euro zu haben.
Zwei neue Mitglieder in der Fire-Familie sind auch im unteren Preissegment angesiedelt:
Der Fire HD 8 (8″ mit 1200 x 800) 8 GB RAM, Micro-SD Slot geht für 159,95 über die Ladentheke. Wehr 16 GB Speicher benötigt, muss 20 Euro mehr investieren.
Der größere Bruder Fire HD 10 bietet die gleichen Specs wie die 8″ Variante, bis auf den Speicher. Hier startet Amazon mit 16 GB für 199,95 und für 30 Euro mehr gibt’s auch eine 32 GB Variante.
Sicher: Gibt man Fire Tablet in die Suchmaske ein, werden auch noch die alten Geräte wie HDX 7 (ab 239 Euro) und HDC 8.9 (ab 379,99) aufgeführt. Hierbei dürfte es sich aber nur um Restabverkauf handeln, da diese Geräte nicht mehr auf der Produktfamilienseite erscheinen.
Fassen wir mal zusammen. Wem 7″ ausreichen bei 1024 x 600 Auflösung, der kann ein Android-Tablet mit sicher nicht schlechtem Displayverhalten (die Verarbeitung der Fires ist eigentlich in Ordnung) für knapp 60 Euro erwerben. Bei der Auflösung sage ich immer: Stellt euch eure Windows PCs von 2007 vor. Ihr habt vor einem 15″ Röhrenschirm mit einer Auflösung von 1024 x 720 gesessen. Hier haben wir es mit der halben Bildschirmgröße und fast gleicher Auflösung zu tun.
Den Clou habe ich mir aber für den Schluss aufgehoben. Die neuen Geräte kommen mit einem Betriebssystem Update. Amazon bringt mit FireOS 5.0 „Bellini“ ein stark überarbeitetes User Interface heraus, das, wenn es nach den Produktfotos geht, offenbar gar nicht mehr diese Karussell und Verkaufsdarstellung hat, die wir bisher kannten, sondern tatsächlich auf „echte“ Android Homescreens setzt.
Wenn dem so sein sollte, wäre das ein kriegsentscheidendes Kaufargument für wahnsinnig günstige Tablets.