Holladiewaldfee! Mein nächster Dienstwagen bringt neues Spielzeug mit, denn das Infotainmentsystem unterstützt Android Auto und Apple Car oder Mirror Link.
Punkt.
Nein, nicht Punkt. Das ist ja das Problem bei deutschen Autos. Wir hinken hinterher. Sehr stark sogar. Noch immer dominiert das Armaturenblickfeld ein gigantischer Drehzahlmesser, der fast die Hälfte des zur Verfügung stehenden Platzes einnimmt. Tankanzeige ist da eher weniger gefragt.
Leute, Drehzahlmesser. Wofür? Sind wir hier in Hockenheim oder auf dem Nürburgring? Braucht keine Sau. Zumindest nicht so riesig.
Die Instrumente. Gerade bei den nicht ganz so teuren Herstellern ist alles oder vieles noch analog. Zeiger. Wo man nur hinsieht. Dabei könnte alles so schön sein wie bei Tesla – ein Tablet, mit dem alle Funktionen gesteuert werden und ein komplett digitales Display in der Mitte zwischen Lenkrad und Frontscheibe.
Aber nein, im Automobilbereich sind viele noch sehr, sehr altbacken.
Und dann hast du dir eine neue Kiste gekauft oder geleast und du bekommst weder Updates noch Upgrades. So ein Smartphone oder Tablet macht macht locker ein paar Betriebssystemversionen mit, bekommt neue Features, wird auf den neusten Stand gebracht. Egal ob iOS, Android oder Windows.
Aber Autos? Nein, die fährste bis du sie verkaufst oder sie aus dem Leasing gehen. Das höchste aller Gefühle ist da, wenn man das Kartenmaterial ein- oder zweimal updaten kann. In der Regel war es das dann auch. Keine Softwareupdates, um die Sensoren zu optimieren, die Lichtsteuerung zu justieren, die Verkehrskamera in ihrer Erkennung zu verbessern. Der Fahrer guckt in die Röhre, während sein Smartphone schon drei Versionen weiter ist.
Seit einiger Zeit gibt es mit Apple Car und Android Auto jedoch die Möglichkeit, sein Smartphone teilweise als Steuerzentrale für das Auto zu benutzten. Sicher, viele Infotainmentsysteme bieten sowohl über USB als auch über Bluetooth die Möglichkeit an, sein Telefon zu verbinden und nicht nur die Telefonie als Funktion zu nutzen, sondern auch Musik vom Smartphone im ganzen Auto zu verteilen, sogar im Stream übers Internet oder SMS vorlesen zu lassen und auf sie zu antworten.
Wird dein Smartphone aber aufs Display des Infotainments gespiegelt, oder zumindest in abgespeckter Form dargestellt, kann ein Touch-Display wie ein Smartphone genutzt werden. Oder?
Jein. Apple Car macht das vor. Einmal das iPhone per USB-Kabel (warum eigentlich Kabel? Behalten wir für später im Hinterkopf) verbunden sieht man die bekannten iOS Icons für Telefon, Apple Music, Nachrichten, Karten, eventuell Spotify, Podcasts und einige ausgewählte mehr auf dem Schirm und kann dann interagieren.
Da ich keine Apple-Mail-App auf dem iPhone eingerichtet habe und MS Outlook oder Googles Inbox wohl als solche nicht erkannt werden, gab es keine E-Mails zum Vorlesen. Apples Nachrichten nutze ich in den seltensten Fällen. Karten ist nicht vergleichbar mit Google Maps, dafür fehlt denen zu viel.
Ganz ehrlich? Dafür brauche ich Apple Car nicht, denn die Telefonfunktion und SMS lassen sich auch über Bluetooth bedienen, ebenso Apple Music und Spotify. Eventuell werden Cover nicht im Display des Infotainments angezeigt, aber das ist zu verschmerzen.
Wer könnte jetzt also Apple Car gebrauchen? Menschen mit Infotainmentsystemen, die gegebenenfalls keine Navigation mit sich bringen, dennoch aber ein hochauflösenden Multimedia-Display besitzen. Skoda hatte hierzu mal einen Versuch mit einer Modellreihe des Fabias gestartet. Es war grundsätzlich nur möglich den Fabia mit dem System Bolero zu bestellen, ohne Navigation. Man wollte die Fahrer auffordern, ihr Smartphone für die Navigation zu nutzen. Ging natürlich in die Hose. Viele Käufer haben die Navigation vermisst und ein eingebautes System zu nutzen (oder ein TomTom) ist für einen Datentarif im Smartphones wesentlich Geldbeutel-schonender. Denn: Navigation per Smartphone kostet für jedes MByte Geld, auch wenn man eine Flatrate hat. Nutzt man die Navigation regelmäßig könnte vom Flat-Limit am Ende des Monats nicht mehr viel übrig sein.
Kommen wir zu Googles Android Auto. Hier sieht die Welt schon anders aus. Wer glaubt, das wäre doch das Gleiche wie Apple Car, nur für Android, der irrt.
Statt eines Android Homescreens bekommt man zwar einen Android Home-Button auf das Display des Infotainments gezaubert, damit hört die Ähnlichkeit zu einem Android-Smartphone oder -Tablet schon auf. Zu beiden Seiten neben dem Homebutton erscheinen Symbole für Telefon, Musik, Navigation und eine Art Back-Button, um zum System des Autoherstellers zurückzukehren.
Keine Icons. In der Home-Ansicht verwendet Android Auto die Karten, die man auch aus dem Google Now Menüh verwendet, hier aber nur die Wichtigsten, die man fürs Fahren braucht: Wetter, Verkehrsverhältnisse, Navigation, verpasste Anrufe, Nachrichten.
Ich nutze weder den Standard-Mail-Client eines Android-Smartphone-Herstellers, noch die Gmail-App, sondern Googles Inbox, daher kann ich auch hier nicht sagen, ob E-Mails auch ein Thema für die Darstellung sind. Im Gegensatz zu Apple Car zeigt Android Auto aber auch What’s App Nachrichten an.
Während der Fahrt kann man sich neu eingegangene Nachrichten von der freundlich-schnippischen Google-Uschi … äh, vom Google Assistenten vorlesen lassen. Und, Trommelwirbel, es besteht sogar die Möglichkeit zu Antworten. Entweder per Tipp auf die Display-Stelle, die den Satz „Ich fahre gerade.“ hervorhebt oder mit Tipp auf das Mikrofonsymbol, um seine Antwort zu diktieren. Dafür wird seltsamerweise Google Hangouts als Chat-Schnittstelle für What’s App genutzt. Ich hatte Hangouts schon gar nicht mehr installiert, da die SMS-Funktion eingestellt wurde und Google seinen Messenger durch Allo und Duo ersetzt hat, bzw. dabei ist ihn zu ersetzen.
Die verbale Antwort wird von Google in Text umgewandelt und als Text versendet. Das klappt hervorragend.
Bei der Music-Auswahl lässt sich zwischen Google Play Music und Spotify wählen. Die SIM-Karten-Funktionalität wird hierbei vom Smartphone auf das Auto-Infotainment übertragen, sodass das Smartphone für die Dauer der Kopplung blockiert ist.
Man kann also nicht mal eben das Handy zur Hand nehmen, um Mails zu checken, während Android Auto aktiv ist. Hat auch einen Sicherheitsvorteil, niemand muss das Handy während der Fahrt in die Hand nehmen.
Für die Navigation nutzt Google selbstverständlich Google Maps – und hier bekommt man nachweislich die beste Navigation, die aktuell existiert. Verkehrshindernisse werden wesentlich schneller übermittelt als an TMC-basierte eingebaute Navigationssysteme. Die Route wird ständig mit Daten aus dem Internet aktualisiert.
Wer sich gerne mit Google Maps navigieren lässt, der ist mit Android Auto bestens aufgehoben … benötigt dafür aber kein 2.000 Euro teures Infotainmentsystem mit Navigation, wenn man diese Funktionen sowieso nicht nutzt.
Hinzu kommt ein entscheidender Nachteil: Je nach Position des Bildschirms im Auto muss man den Blick von der Straße nehmen, um zur Kartendarstellung zu schauen.
Eingebaute Navigationssysteme bieten in der Regel noch Navigationshinweise im Tachobereich, sodass man für einen schnellen Blick, ob man sich auf der richtigen Spur zum Abbiegen befindet, nur kurz durch das Lenkrad hindurch schielen muss, ohne dabei den Kopf zu drehen und gänzlich woanders hinzuschauen.
Kommen wir zurück zu USB. Sowohl Android Auto als auch Apple Car erfordern eine Verbindung des Smartphones per USB-Kabel.
Warum?
Das frage ich mich auch. Denn sobald das Kabel eingeklinkt ist, wird das Smartphone geladen. Bei einem fast leeren Akku sicherlich eine tolle Sache, aber bei mehreren Kurzstrecken hintereinander an einem Tag, beginne ich immer wieder und wieder mein Smartphone zu laden.
Ab ins Auto, Handy dran, laden, drei Minuten später, Packstation, anhalten, Motor aus. Paket abholen, wieder einsteigen, Motor an. Handy wird wieder geladen. Eine Minute später, Stopp an der Tankstelle, Tank vollmachen. Motor ist aus. Bezahlen. Motor an. Handy fängt wieder an zu laden. Fünf Minuten später. Bäcker. Motor aus. Brötchen holen. Einsteigen. Motor an. Handy wird wieder geladen. Fünfzehn Minuten später. Büro. Aussteigen. Motor aus. usw. usw.
Permanent und mit Unterbrechnungen wird das Smartphone an Strom gehangen und wieder getrennt. Wie lange ein Akku sowas mitmacht, ist fraglich.
Datenübertragung funktioniert auch per Bluetooth, warum also nicht den Besitzer selbst entscheiden lassen, wann er ein Ladekabel an sein Gerät hängt, um es zu laden?
Daher: Ich könnte mir vorstellen, Android Auto für eine längere Fahrt, bei der ich eventuell erwartet werde und man mir zwischendurch What’s App Nachrichten schickt einzusetzen. Beachten muss ich: Die Navigation über Google Maps kostet mich Datenvolumen! Nutze ich das Navigationssystem des Autos, ist das zwar nicht ganz kostenlos, denn man hat viel Geld für das Gerät investiert, aber man zahlt aktuell nichts dafür.
Ansonsten ergeben weder Android Auto noch Apple Car für mich aktuell wenig Sinn und dienen eher dazu, den Akku eines Gerätes zur Weißglut und in den frühen Tod zu treiben.
Da die Durchlaufzeit bei mir für Androiden meist nur 6 Monate ist, bei iPhones ca. 1 Jahr, könnte mich das ja nicht jucken, aber ich hege schon ein Interesse daran, beim Weiterkauf eines Gerätes, dieses dem Käufer in einem einwandfreien Zustand weiterzureichen und nicht mit einem Akku, der seine besten Tage weit hinter sich gelassen hat.
Koppel per Bluetooth und alles wird gut.