Noch 1 1/2 Wochen, bis ich meinen iPhone 8 Gerüchteküchebingo-Umschlag öffnen darf. Meine Kreuze sind längst gesetzt und ein Teil meiner Prognose beschäftigt sich mit etwas, das ich beim iPhone schätzen gelernt habe.
Was ist an einem Smartphone wichtig? Es soll perfomant sein (darunter fassen wir alles, was die Technik betrifft wie schnell arbeiten, genug Speicher haben, gute Konnektivität, gute Kamera, lange Akkulaufzeit), gut aussehen und eine Usability bieten, die im Alltag mit Bravour besteht.
Offenbar ist das einigen Smartphone-Herstellern nicht bewusst.
Usability oder Bedienbarkeit im Alltag, soll sich auf möglichst viele erdenkliche Fälle beziehen lassen. Was nützt mit der schnellste Prozessor, der in 3D-Spielen gut abschneidet, wenn die Telefonapp fünf Sekunden braucht, um zu starten, oder ich für einen schnellen Schnappschuss einen Kamerafokus habe, der nicht ordentlich scharf stellt. Wenn das Aktivieren des Telefons zur Qual wird?
Früher hat man sich entweder keine Gedanken über die Sicherheit gemacht oder sich damit abgegeben, ein Telefon mit einem Pin oder einem Muster zu entsperren. Das dauert, jemand kann einem über die Schulter gucken, aber es geht auch in vielen erdenklichen Positionen.
Je nach Smartphonegröße mit dem Daumen, während man es in der Hand hält, mit einer zweiten Hand, mit einem umklappbaren Deckel einer Schutzhülle, sogar auf dem Tisch liegend.
Dann kamen Spielereien wie Gesichtserkennung, die Google einführte, die schnell wieder in der Versenkung verschwanden.
Auch wenn Fingerabdrucksensoren, über die man zärtlich streicheln konnte, die dann doch aber gefühlt zwanzig Anläufe brauchten, bis man den Abdruck erkannte, schon in Laptops von Lenovo und HP verbaut wurden, kam der Durchbruch hier doch erst mit Touch-ID von Apple im iPhone 5S.
Das war übrigens mein erstes iPhone. Relativ zuverlässig und schnell entsperrte das Gerät. Egal, ob auf dem Tisch liegend oder in der Hand haltend, durch die Option, mehrere Fingerabdrücke zu speichern, gingen einem die Fingerkuppen auch nicht aus. Zwei Daumen, zwei Zeigefinger, voilà.
Die Technologie wurde über die Jahre perfektioniert. Bevor Apple seinen Home-Button mit Taptick-Enginge herausbrachte, gab es im Androidenlager bereits Geräte, die einen Fingerabdrucksensor verbaut hatten, bei dem der Homebutton nicht mehr gedrückt, sondern nur noch berührt werden musste. Hier fällt mir das OnePlus2 ein. Klasse Gerät. Klasse Entsperrung.
Dass es immer noch besser geht, auch im günstigen Preissegment, bewies Honor mit dem 6X und später Huawei mit dem P10 sowie als Marke Honor mit dem Honor 9.
Finger auflegen, das Display erwacht sofort und ist einsatzbereit. Tolle Sache.
Aus der fixen Idee eines LG G2 heraus geboren, verbauten die Taiwaner einen Ein- und Ausschalter auf der Rückseite des Gerätes. Viele fanden das doof. Andere fanden es gut.
Wie gesagt: Usability sollte für alle angenehm sein. Die Fraktion, die ihr Handy in der Hand hält konnte den Schalter problemlos mit dem Zeigefinger erreichen. Und was ist mit den Menschen, die mal eben nach Benachrichtigungen sehen wollen, wenn das Gerät auf dem Schreibtisch liegt? Kein Problem: Knock-on oder Knock oder Knock Knock boten ein schnelles Aufwecken des Bildschirmes mit einem Doppeltipp auf das schwarze Standbydisplay.
Sicherheit? Nun ja, da fing die Sache wieder mit einem PIN oder einem Muster an. Blöd, nicht? Fingerabdruck war damals noch nicht so hipp, aber LG fand die Idee mit dem Ein- und Ausschalter auf der Rückseite so töffte, dass man in späteren Versionen auch den Fingerabdrucksensor darin verbaute. Und andere Hersteller zogen nach.
Ja, das Honor 6X entsperrt wahnsinnig schnell und man trifft den Sensor auch ganz gut, wenn … wenn man das Gerät in der Hand hält. Auf dem Tisch liegend oder in einer Handyhalterung oder einem Tischständer bringt diese Sicherheitsmaßnahme rein gar nüscht.
Aber es gibt ja noch andere Entsperrmethoden. Iris-Scanner. Klappte beim Nokia 950 und 950 XL relativ gut und sogar im Dunkeln, verbrauchte nur massiv Strom und war bei weitem nicht so zuverlässig, wie der Touch-ID beim iPhone 6 oder 6s.
Und der Nachteil: Du musst das Gerät in der Hand halten und in einem gewissen Abstand zu den Augen in die Kamera schauen.
Es gibt unzählige Situationen in denen man das einfach nicht kann.
Ähnliches gilt für die Gesichtserkennung, die jetzt wieder dank Samsung in aller Munde ist.
Man muss es halten. Man muss hineinschauen. Das Gesicht muss alltagstauglich sein. Habe ich mich mit Brille abgelichtet und schaue morgens ohne Brille auf das Handy, wird mein Gesicht nicht erkannt.
Hatte ich erwähnt, dass man es halten muss? Man kann es nicht auf den Tisch legen. Man kann es nicht in einen Tischständer oder im Auto in einer Halterung aufbewahren und dann erwarten, dass sein Gesicht erkannt wird.
Du brauchst den Abstand, du brauchst den Blick – so funktioniert das alles nicht.
Fassen wir als Fazit zusammen: Gesichts- und Iriserkennung sind für den Poppes. Egal wie gut und schnell sie sind, die decken nicht alle Umstände ab und ihre Bedienbarkeit ist stark eingeschränkt.
Was bleibt?
Der Fingerabdruck. So wahnsinnig schnell wie beim Honor 9 – und hier macht Honor alles richtig. Ein Sensor in einem Homebutton, der mit Auflegen statt Drücken funktioniert. Er befindet sich vorne am Gerät, sodass man den Sensor in allen Lebenslagen erreichen kann. Passt.
Usability. Erwähnte ich es? Ja? Gut.
Nun kommt Samsung daher. Lern- und beratungsresistent wie eh und je. Statt auf Kritiken zu hören, wiederholen sie nicht nur den Fehler, den sie mit dem S8 und S8 Plus begangen haben, sondern verschlimmern die Lage noch.
Der Fingerabdrucksensor auf der Rückseite ist nicht sofort ertastbar. Er reagiert wie bei Samsung üblich schlechter, als bei anderen Herstellern. Beim Galaxy S5 verlacht, beim S6 zum Augenverdrehen, beim S7 einigermaßen in der mittleren Liga spielend, beim S8 wieder auf das Niveau des S6 zurückgefallen.
Liebe Freunde in Südkorea, wenn ich ein Auto starte, dann an dem Ort, an dem ich mich befinde und nicht das Zündschloss oder den Start-Stopp-Knopf im Kofferraum verbauen. Das ist unlogisch und unsinnig und lässt auch nur den Hauch von Intelligenz anzweifeln.
Durch die dezentrale Lage des Fingerabdrucksensors ist dieser von Links- und Rechtshändern auch unterschiedlich optimal zu erreichen. Und was tut ihr Deppen beim Galaxy Note 8? Ihr vergrößert auch noch den Abstand zu einem der Ränder hin.
Fingerakrobatik bei einem Note 8 mag spannend sein, aber Bedienerfreundlichkeit geht anders. Völlig anders.
Wir erinnern uns: Usability und Sicherheit. Fingerabdruck vorn = optimale Position.
Kommen wir zu den iPhone 8 oder iPhone Pro Leaks und der offensichtlichen Frage beim Anschauen des vermeintlichen Designs: Was passiert mit Touch-ID?
Die sicherste und bedienerfreundlichste Variante wäre bei einem fehlenden oder kapazitiven Homebutton den Sensor im Display unterzubringen. Ähnlich wie der Bildschirmhomebutton beim Samsung S8 und Note 8. Inzwischen wissen wir, dass weder Samsung noch Apple derzeit die Technologie haben, einen derartigen Sensor ins Display zu integrieren. Vielleicht 2018. Oder 19. Aber nicht dieses Jahr.
Welchen Fehler könnte Apple also begehen? Die Usability wäre bereits gefährdet, wenn man auf den Zug aufspringt und Touch-ID auf die Rückseite verlegt. Tisch-Aktionen sind dann nicht mehr möglich.
Heiß gehandelt wird eine 3D-Gesichtserkennung, die wahnsinnig ultraschnell funktionieren und zuverlässiger ein Gerät entsperren soll, als ein Fingerabdruck-Sensor.
Wenn … ja, wenn das Gesicht in Reichweite ist. Damit fällt das Tischszenario unter den Tisch, es sei denn die Gesichtserkennung kann äußerst weit- und flachwinkelig erkennen. Aber wie aktiviere ich die Erkennung?
Beim iPhone 6 – 7 braucht es nur ein Auflegen und/oder Drücken des Homebuttons. Kein nerviges Fummeln an Seitenknöpfen, die man vermutlich nicht bedienen kann, wenn ein Gerät auf dem Tisch liegt oder in einem Tischständer steht und man nur eine Hand freihat. Das Smartphone würde über den Tisch rutschen.
Und was passiert im Dämmerlicht oder gar im Dunkeln?
Apple muss hier wirklich eine bahnbrechende Technologie vorlegen, um Usability bei der Entsperrung zu garantieren.
Denkbar wäre folgendes Szenario: Eine weitwinklige Erfassungskamera, die Gesichter auch erkennen kann, wenn das Handy vor oder neben einem auf dem Tisch liegt, die Gesichter auch aus unterschiedlichen seitlichen Winkeln erkennen kann, wenn man das Smartphone in einer Halterung seitlich von sich stehen oder hängen hat. Einen Infrarotsensor, der gewährleistet, dass das Gesicht auch in Dämmerlicht oder gar völliger Dunkelheit erkannt wird und eine Methode, um das Display bzw. die Sensoren sehr rasch zu aktivieren, etwa durch ein Knock-Knock auf das Display oder eine Art 3D-Touch auf den unteren Displaybereich wie beim Samsung Galaxy S8.
Kriegt ihr das in Cupertino hin?
Nur dann ist die Usability ohne Touch-ID gegeben, um das Gerät schnell für den Einsatz sicher zu entsperren.
Wir dürfen gespannt sein, ob dieses Szenario am 12.09. präsentiert wird oder Apple sich den Unmut aller Touch-ID-Fans zuziehen wird.
Angemerkt sei noch, dass Touch-ID auch sichere Käufe autorisiert. Es wäre fatal, hier auf die Gesichtserkennung zu setzen. Vielleicht finden wir ja eine Touch-ID im Power-Schalter untergebracht, der gerade für die Genehmigung von Käufen zuständig ist.
Sehr zum Leidwesen einiger Hüllen- und Cases-Hersteller. Meine aktuelle TPU-Hülle des iPhone 7Plus deckt sämtliche Knöpfe am Gerät ab.